Siegener Zeitung, 20.02.1999: zurück

Einstiger Adelssitz wurde Privatbesitz ...

Burgholdinghausen hat interessante Geschichte - Reich an Wald und Wasser - Erster Judenfriedhof

Burgholdinghausen/Kreuztal. Burgholdinghausen ist ein Phänomen, etwas Besonderes. Im mit 1370 Hektar flächengrößten Kreuztaler Stadtteil besitzt die Stadt selbst kaum nennenswertes Gelände. Seit 1936 ist die Düsseldorfer Unternehmerfa­milie Woeste Eigentümerin und Bewirtschafterin der großen Waldungen zwischen Littfeld, Drewer Wald, Hoher Wald und Altenberg. Der Ort selbst ist ein idyllisches Plätzchen inmitten von Weihern und Hohlwegen, mit Forsthaus, altem Backhaus, Bauernhof und Schafstall. Fast könnte man meinen, die Zeit hätte innege­halten, wäre nicht der Verkehr auf der stark befahrenen B 517 nach Kirchhundem und würden nicht die schnellen Züge der am Ort entlangführenden Bahnlinie das beschauliche Tal unüberhörbar durchrauschen.
Burgholdinghausen hat eine ungemein reiche Geschichte. Sie beginnt bereits im Jahre 1079, als die Brüder Heribert und Gerungus, „aufgefordert durch göttliche Eingebung des heiligen Geistes und durch Gottes Gnade erfüllt“, ihre Erbteile u. a. von „Haldenghusen“ dem Deutzer Stift bei Köln zum Geschenk machten. Erst deutlich später - ab 1318 - treten die ade­ligen Reichsfreiherren von Holdinghausen in Erscheinung, die ihren Besitz durch ständige Landkäufe vergrößerten. Sie waren aufgrund früher Verträge unmittelbar dem Kaiser unterstellt und nicht den Gesetzen der eigentlichen Landesherren von Nassau-Siegen. Eine Besonderheit, die die Burgholdinghauser erst 1969 mit der Stadtwerdung von Kreuztal „auch in den Köpfen“ endgültig aufgeben mußten. Zuletzt hatten sich 1930 der Amtmann Ernst Ebberg und 1961 der damalige Amtsdirektor Eugen Röller vergeblich um das Zusammengehen mit Littfeld bemüht. Bis zuletzt behielt der sechsköpfige Gemeinderat im kleinen Ort das Sagen, zumeist geleitet vom jeweiligen Forstdirektor, „weil es sonst keiner machen wollte“. Schuldenmachen war für die nicht gerade armen Burgholdinghäuser immer ein Fremdwort.
Im Jahre 1684 kam der Adelssitz Burgholdinghausen durch Heirat in den Besitz der Heeser auf Schloß Junkernhees, mußte aber später, im Jahre 1786 - wegen überschuldung schließlich an den Grafen von Fürstenberg-Herdringen bei Arnsberg veräußert werden. Genau 150 Jahre wohnten nun die neuen Besitzer im Herrenhaus, flankiert von der Meierei, wo der Verwal­ter wohnte, und späterer Remise, dem Kutscherhaus. In Zeiten kriegerischer überfälle konnten die Bewohner in der angrenzenden von Wassergräften (Wassergräben) umgebenen Fliehburg Schutz finden. Zuvor wurden die Schleusen der darüberliegenden Weiher geöffnet.
War „Schafstall“ einst Burgkapelle?
Während die Grundmauern der kleinen quadratischen Burganlage heute unter dem Grün einer Wiese nur noch erahnt werden können, ist der jetzt so genannte „Schafstall“ noch gut erhalten. Ob er im Ursprung wirklich eine Burgkapelle war, ist nicht eindeutig belegt. Helmut Stähler, Vorsitzender des Heimatvereins und Kenner der Historie: „Eine Kapellenstube in der Meierei, in dem der Schloßgeistliche aus dem benachbarten „Kölschen“ seine Amtshandlungen verrichtete, gab es aber in jedem Fall.“
Während den Juden im Herrschaftsbereich Nassau-Siegen lange Zeit das Blei­berecht versagt war, erlaubten die katholischen Fürstenberger dem Juden Benjamin Moses 1791 die Errichtung eines Wohnhauses, dem späteren „Stöckers Haus“, und die Anlage eines Judenfriedhofs im Haubergshang vor „Langenbachs Weiher“. Er ist der erste Judenfriedhof im Siegerland und noch heute sind sechs Grabstätten sichtbar Im Jahre 1804 fand die erste Beisetzung statt, auch viele Littfelder Juden fanden hier später ihre letzte Ruhestätte. Ein Besuch der von der Stadt Kreuztal gepflegten Anlage ist allemal zu empfehlen. Wie auch andere alte Bauernhäusen wurde das ansehnliche Haus Stöc­ker 1963 abgebrochen und wartet im Freilichtmuseum Detmold immer noch auf den Wiederaufbau. Doch da war auch die Rohstahlhütte in Burgholdinghausen, etwa auf halbem Wege zwischen Littfeld und dem kleinen Nachbarort gelegen. Mit damals zehn Arbeitern, die Müsener und Littfelder Erze verhütteten, war sie vermutlich die kleinste im Siegerland. Im Wiesengrund sind keine Spuren mehr zu erkennen, hier weiden jetzt im Sommer die Kühe. Die landwirtschaftliche Nutzung der Burgholding­hauser Flur lag über Jahrzehnte bei der Familie Beerwerth, die heute noch den ehemah­ligen „Danielshof“ bewohnt. In der Scheune am Kleff-Weiher stehen 20 Rinder im Stall, im Frühjahr verschick­en Beerwerths weitere Tiere von Krombach nach hier in die Sommer­frische. Johannes und Huhertus Beerwerth leben vom „Rücken“ (Abschleppen) der gefällten Baumstämme mittels zwei schwerer Daimler-Benz-Tracs und dem Gaul „Max“ für unwegsames Gelände. Sowohl die Familie Woeste wie auch ihr Forstverwalter Uwe Thies lieben die Burg­holdinghauser Natur über alles. Jährlich werden im Forst etwa 11000 Festmeter Holz „geschlagen“ und meist an Sauerlän­der Sägewerke veräußert. überwiegend sind es Fichten und Buchen, der Laub­waldanteil macht etwa ein Drittel aus. Fünf Forstwirte und ein technischer Ange­stellter lassen in den ausgedehnten For­sten die Motorsägen knattern und pflegen über 100 Kilometer Waldwege.
In der urigen Blockhütte am Fuße des Ölmbergs verlebt die Eigentümerfamilie Woeste nicht selten ihren Wochenendurlaub. Oft ist dann Jagd angesagt; der besondere Stolz gilt dem hohen Bestand an Dam- und Rehwild und den Schwarzkit­teln. Aber auch den kleinen Bewohnern von Wald und Flur - den Ameisen, Bienen Kröten und Feuersalamandern - gilt die Fürsorge, ganz zu schweigen vom sonst selten anzutreffenden Schwarzspecht. Nicht zu vergessen die Karpfen und Schleie, die sich im kalten Wasser vor Kleff-Weiher und Langenbachs Weiher tummeln. Natur genießt hier eben Vorfahrt. Und die heute nur noch 13 Burgholdinghauser Bürger wissen das zu schätzen. Nirgendwo sonst würden sie sich so wohl fühlen wie hier.

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Blick in die Annalen

1079Erste Erwähnung in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Deutz.
1318Erstmals wird das Adelsgeschlecht der Holdinghauser genannt.
1636In Burgholdinghausen sterben 20 Bewohner an der Pest
1684Durch die Heirat von Maria Rosina mit Philipp von und zu der Hees fällt der Adelssitz an die Heeser (Junkernhees).
1687Als erster sogenannter "Sacellan" (Schloßgeistlicher) in Burgholdinghausen wird Werner Birtz genannt.
1786Verkauf an den Freiherrn von Fürstenberg-Herdringen bei Arnsberg.
1791Benjamin Moses als einer der ersten Siegerländer Juden baut in Burgholdinghausen ein Wohnhaus („Stöckers Haus“).
1804Erstes Begräbnis, Benjamin Moses bestattet dort seine Ehefrau.
1874Die kleine Rohstahlhütte zu Burgholdinghausen stellt den Betrieb ein.
1936Verkauf an die Unternehmerfamilie Albrecht Woeste in Düsseldorf.
1969Burgholdinghausen wird mit Beginn des Jahres Kreuztaler Stadtteil.
1984Ab diesem Jahr leitet Forstoberamtsrat i.P. (im Privatdienst) Uwe Thies die Forstwirtschaft Burgholdinghausen.