Siegener Zeitung, 20.07.1999: zurück

Vom Bergbau zum Naturschutzgebiet

Streifzug durch das Littfelder Grubengelände bietet Einblicke in einzigartige Tier- und Pflanzenwelt

Littfeld. Am Schilfweiher östlich von Littfeld zwischen Ziegenberg und Hohem Wald, Halt zumachen, ist ein Erlebnis besonderer Art. Wer sich eine Weile Zeit nimmt, kann die vielfältige Natur dieses beschaulichen Plätzchens auf sich wirken lassen. Der Abend des Sommertages bringt Kühle und verbreitet Stimmung. Ein Molch schnappt nach Luft. Während die scheinbar müde gewordenen Wasserläufer auf der Weiheroberfläche wie auf einem glatten Spiegel dahergleiten, ist das Gewirr lauter Vogelstimmen noch in vol­lem Gange. Mindestens zehn Vogelarten weiß der Kenner spontan zu bestimmen, von Zaunkönig und Goldhähnchen bis Amsel und Schwarzspecht. Was da abläuft, ist ihr Abendkonzert, aber ohne Taktstock und festgelegten Rhythmus. „Da capo“ würde der Musiker sagen, immer wieder von vorne, unentwegt. Solange, bis die Dämmerung die Oberhand gewinnt und es dunkel wird. Dann verstummt plötzlich alles, nur das Rotkehlchen fühlt sich durch den höhersteigenden Vollmond motiviert, nicht sogleich aufzugeben. Natur pur; wie sie mit allen Sinnen erlebt werden kann.

Das Littfelder Grubengelände, bis in die 20er Jahre dieses Jahrhunderts vom Eisenerzbergbau bestimmt und geprägt, ist ein einziges großes Naturschutzgebiet. Über 42 Hektar groß, wurde es 1991 unter Schutz gestellt. Eigentümer sind heute etwa zur Hälfte die Düsseldorfer Familie Woeste sowie die Stadt Kreuztal und das Land NRW. Jahrhundertelang wurden in den Gruben Anna, Altenberg, Silberart, Hohenstein, Heinrichsegen und Viktoria Eisenerze gefördert, zunächst im Stollenabbau, später auch in der Tiefe im Schachtbetrieb. Buntmetallerze waren das Aushängeschild der Grube Viktoria, sie war die bedeutendste Blei- und Zinkförderstätte im Siegerland. Die schwermetallhaltigen Abraumhalden ließen den Wuchs der üblichen Wald- und Wiesenflora nicht zu. Verstärkt wurde der hohe Schwermetallgehalt der sogenannten Galmei-Böden (Galmei war ein alter Berg­mannsname für Zink) durch die bis zuletzt 1962 durchgeführte Flotation größerer Haldenbestände. Der Abraum wurde gemahlen und mit Wasser vermischt.

Die hochmetallhaltigen Partikel sanken nach unten, während die ebenfalls noch schwermetallhaltigen Schlämme in Klärteichen und Deponien abgelagert wurden. So gibt es hier im Littfelder Grubengebiet die eigentlich als verseucht gel­tenden Galmeiböden - einzigartig im weiten Umkreis. Einzigartig sind auch bis heute noch größere völlig vegetationslose Flächen wie auch eine spezifische Flora, die nur auf solchen besonderen Böden gedeihen kann.

Das gesamte Grubengelände wird von Gräben und Bächen durchzogen. Wasser begegnet dem Spaziergänger beinahe auf Schritt und Tritt, und seien es nur vernäßte Areale oder vermoorte Stellen. Eine Reihe im Wald wie versteckt liegende Weiher geben dem Naturschutzgebiet in fast unberührter Landschaft eine gewisse Romantik. Erlenbruchwald und Feuchtwiesen sind besondere Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Nicht selten geht es über Stock und Stein, mit Lackschuhen ist hier kein Staat zu machen. Besonnt und dadurch aufgewärmt geben sich dagegen die meisten Grubenhalden. Vielfältig sind Landschaft und Ausblicke, manchmal vermischt mit kleinen Relikten aus traditionsreichen Bergbauzeiten. Wer das Auto stehen läßt, kann mit Wanderkarte und Spürsinn vieles erkunden, aber nicht alle Pfade sind Spazierwege.

Es ist reizvoll, mit heimischen und kundigen Naturführern – Markus Fuhrmann oder Matthias Jung vom Naturschutzbund (NABU) zum Beispiel – das Grubengelände zu durchstreifen und auf Blühendes und Unauffälliges am Wegrand zu achten: auf die jetzt schon verblühte Gemeine Grasnelke, auf das Taubenkopf­leimkraut oder auf Hallers Schaumkresse, alles Sommerblüher, die in unserer Region sonst kaum anzutreffen sind. Es sind überwiegend Lichtblumen, die auf den schwermetallbelasteten Flächen in kleinen Lebensräumen oft konkurrenzlos gedeihen und mit den Zink- und Bleigehalten des Bodens relativ gut zurechtkommen.

Rund 500 Pflanzennamen angesiedelt

Zwischen 400 und 500 Pflanzenarten sind im Gelände angesiedelt, darunter Orchideen wie das Knabenkraut, das Wollgras und der sehr selten gewordene Tannen-Bärlapp im Unterholz des Fichtenwaldes. Wilde Bienen und Wespen sind in Schlammhalden zu Hause, wobei der „Bienenwolf“, eine Grabwespe, die Honigbienen erbeutet, als Nahrung für seinen Nachwuchs. 36 Vogelarten sollen hier zu Hause sein, über 200 Schmetterlingsarten und über 20 verschiedenartige Libellen. Zwischen Schilf und Rohrkolben schwirren sie bei Sonnenlicht über dem Wasser. Abends, wenn die Dämmerung einbricht, sind die Kröten und Frösche zu hören, und aufgeregt wirkende Fledermäuse flattern dem ruhigen Betrachter fast um die Ohren.

Pflegemaßnahmen in Planung

Aber Vorsicht scheint geboten, wenn diese eigenwillige Landschaft auch zukünftigen Generationen erhalten bleiben soll. Wuchernde Schilf- und Rohrkolbenbestände fördern die Verlandung der Weiher, und über den rotfarbenen und noch vegetationslosen Flotationshalden könnte sich nach und nach eine dünne Humusschicht ablagern, die den Strauch- und Baumbewuchs zuläßt und damit die typische Galmeiflora verdrängen würde. Deshalb plant das Amt für Umweltschutz des Kreises Siegen-Wittgenstein Pflegemaßnahmen zur Erhaltung der Einzigartigkeit dieser Flora und Fauna. „Hoffentlich können sie dann bald umgesetzt werden“, so der Wunsch der Naturschützer. Schön und herb zugleich ist die Grubenlandschaft zwischen Altenberg und Viktoria, und überall durchweht sie ein Hauch von Bergmannsgeschichte.

uha